Wenn man die Spitaler Kirche in ihrer gegenwärtigen Form genau betrachtet, findet man wohl fast nichts mehr von der um das Jahr 1160 begonnenen und 1163 von Erzbischof Eberhard von Salzburg geweihten ersten Pfarrkirche. Heute manifestieren sich in der Kirche drei große Bauperioden, nämlich die romanische, jene des so genannten „Übergangsstiles“ zwischen Romanik und Frühgotik und die spätgotische. Anhand dieser drei Bauperioden soll auch der Werdegang von der kleinen Hospitalskirche zur heutigen Pfarrkirche erläutert werden.
In der ersten, romanischen Bauperiode wurde der vordere Teil des heutigen Kirchenschiffes errichtet, also der Bereich zwischen Volksaltar und dem Gitter vor dem Hochaltar. Das damalige Kirchenschiff war entweder mit einer flachen, durch Schnitzereien verzierten Holzdecke oder mit einem hölzernen Tonnengewölbe abgeschlossen. Emporen oder einen Musikchor gab es damals vermutlich noch nicht.
An das ursprüngliche Kirchenschiff angebaut war zuerst nur nördlich ein Raum, der aber durch eine Mauer völlig von der Kirche getrennt war und wohl Räumlichkeiten des Hospitals beherbergte. Dieser Raum dient heute als Sakristei. Dass er ursprünglich frei angebaut war, verdeutlicht auch ein gotisches Fenster an der Westwand, das heute durch den Florianialtar verdeckt ist, von der Sakristei aus gut zu sehen ist.
Um das Jahr 1260 wurde die Kirche nach Osten hin erweitert. Da sich etwa zur selben Zeit jene Urkunden häufen, in denen Bewohner der Gegend genannt werden, liegt die Vermutung nahe, dass die Bevölkerung in den Jahrzehnten zuvor stark gewachsen war.
Während dieser zweiten Bauperiode wurde der ursprüngliche Altarraum (Apsis) abgebrochen und nach Osten verlegt. Der damit entstandene neue Raum beherbergt einige kunsthistorisch äußerst sehenswerte Details. So existiert hier eine frühgotische Kännchennische (piscina) für die Aufbewahrung von Wein und Wasser, die als die älteste der Steiermark gilt. Rechts vom Hochaltar befindet sich der dreisitzige Priestersitz (session), der als ältester und schönster der Obersteiermark gehandelt wird. Er ist mit Kleeblattbögen verziert, die auf Hornkonsolen aufgesetzt wurden.
Während dieser Bauphase wurde auch die Sakristei mit der Kirche verbunden und an diese anschließend der heutige, massive Kirchturm aufgeführt.
Auch das Deckengewölbe des Langhauses mit seinen wunderschönen, bemalten Abschlusssteinen, darunter ein kunstvoll gestalteter siebenzackiger Stern, wobei die Zahl Sieben auf die Göttliche Vollkommenheit hindeutet, entstand im Rahmen dieser Kirchenerweiterung und löste die alte, romanische Holzdecke ab.
In diesem beschriebenen Bauzustand verblieb die Kirche bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts. Die Bevölkerung des Fröschnitztales war mittlerweile weiter angewachsen, und da in dieser Zeit noch alles in die Kirche strömte, musste in ihr mehr Raum geschaffen werden. Die eingemeißelte Jahreszahl 1516 am mittleren, nordseitigen Strebepfeiler der Kirche dürfte wohl das Jahr der Fertigstellung dieses Umbaues markieren.
Im Bereich dieser ehemaligen Hospitalsräumlichkeiten, die man in den Umbau mit einbezog, wurde bis 1516 die hintere Hälfte des Hauptschiffes vom Volksaltar bis zum Westportal errichtet und ebenso mit einem spätgotischen Netzrippengewölbe samt Abschlußsteinen und „Heiligen-Geist-Loch“ eingewölbt. Letzteres diente zu Pfingsten zum Auf- und Abziehen einer geschnitzten Taube, die den Heiligen Geist symbolisierte.
Über die Seitenschiffe und das Westjoch wurde im Rahmen dieser zweiten Kirchenerweiterung die Musikempore gezogen. Auch die gesamte Empore verfügt über ein Kreuzrippengewölbe, wobei die Nord- und Südempore zusätzlich mit kunstvollen, steinernen Vierpaß-Brüstungsgittern ausgestattet wurden.
Die Orgelempore selbst weist eine hölzerne Brüstung aus der Zeit um 1900 auf.
Bis zum Jahr 1903 blieb nun der Baubestand der Kirche unverändert. Im Mai dieses Jahres begannen die umfangreichen Renovierungsarbeiten im Inneren und an der Außenfassade. Gleichzeitig wurde auch die Dachform der Kirche völlig verändert. Während das Dach bis 1903 vom First bis zu den Seitenschiffen in einer Linie durchgezogen verlief, wurde es bei den Umbauarbeiten des Jahres 1903 über den Seitenschiffen abgeflacht, was der Kirche ihr bis dahin höchst plumpes Aussehen nahm.
Im Rahmen dieser Renovierungsarbeiten kam so manches kunsthistorisch interessante Stück zum Vorschein. Auch das so genannte „Blut Christi-Bild“ links vom Hochaltar wurde im Zusammenhang mit der Renovierung gefunden und in die Zeit des 15. Jahrhunderts datiert. Einen großen Teil der Renovierungskosten bis zum Jahr 1906 trug übrigens Ludwig Zatzka, der dafür schon 1903 zum Ehrenbürger der Gemeinde Spital am Semmering ernannt wurde. Die Außenrenovierung 1957 und die Innenrenovierung 1967 beendeten vorerst die Bautätigkeit. Im Sommer 1989 wurde allerdings das Westportal, das sich in einem katastrophalen Zustand befand, grundlegend saniert.
Im Jahr 2010 feierte die Pfarre ihr 850 Jahr Jubiläum. Diesem voraus ging eine umfassende Renovierung und Neugestaltung des Innenraumes, insbesondere des Altarraumes. Altar, ambo, Sessio waren bis dahin Provisorien. Mag. Hannes Fladerer gestaltete den neuen Altar und das Ambo.
Die Spitaler Pfarrkirche beherbergt einige ganz besondere kunsthistorische Kostbarkeiten. Neben dem wunderschönen frühbarocken Hochaltar findet sich linkerhand das bereits genannte, 1903 aufgefundene und von einer Rankenbordüre umrahmte, 4 x 3 Meter große Fresko vom Ende des 15. Jahrhundert, das die Heilswirkung des Blutes Christi für die gesamte Menschheit darstellt. Gezeigt werden unter anderem die Kreuzigung, die Verehrung der Eucharistie (Monstranz), die Muttergottes mit Kind und Christus an der Geißelsäule.In der Mitte des Hochaltares aus dem Jahr 1616, einem bedeutenden Werk des steirischen Frühbarocks, an dem hauptsächlich der aus Heidenheim in Württemberg stammende Hans Müllner arbeitete, findet sich, umrahmt von Engeln und Puttenköpfen, in der Mittelnische aus dem Anfang des 18. Jahrhundert, die Spitaler Muttergottes, eine romanische Madonnenstatue, die gotisch überschnitzt wurde. Im 17. Jahrhundert entstanden auch noch andere Altäre. Im Jahr 1620 wurde der Florianialtar (Datierung an der Predella) mit kunstvollen Figuren des hl. Florian vom Beginn des 18. Jhdts. und der Pestheiligen Rochus und Sebastian, bekrönt von einer Statue des heiligen Johannes des Täufers, errichtet.
Zeitgleich oder wenig später entstand der vergoldete Tabernakelaltar im Südschiff. Formal passt dieser Altar nicht zu den beiden anderen Altären der Spitaler Kirche sondern viel eher zum Neuberger Hochaltar, so dass die Vermutung nahe liegt, dass er ursprünglich eigentlich gar nicht für die Spitaler Kirche bestimmt war. Um 1720 entstand schließlich noch die Kanzel beim Volksaltar. Auffallend ist das fehlende Schalldach der Kanzel.
Weitere, kleinere Kunstwerke in der Kirche sind eine barocke Steinsäule neben dem Florianialtar, die eine Marienstatue mit Jesuskind im Nazarenerstil, um 1870, trägt. Die Säule selbst, ursprünglich im Ort aufgestellt, trägt die Inschrift „Ierg Ga[n]ster am Hoff hat dise Seilen machen lasen 1657“.
Rechts vom Volksaltar befindet sich eine kunstvolle, spätgotische Pietá.
Ein weiteres Kunstwerk stellt die Marienkrönungsgruppe auf einem Tischaltar der Südempore dar. Sie stammt aus der Zeit um 1460 und dürfte mit ziemlicher Sicherheit der letzte Überrest des ehemaligen, gotischen Hochaltares der Kirche sein.
Ein besonders Prunkstück der Spitaler Kirche ist der gotische Taufstein aus der Zeit um 1450, der 1989 renoviert wurde und bis 2010 als Weihwasserbecken diente und nun im Altarraum seinen Platz gefunden hat und wieder als Taufstein verwendet wird.
Quellen:
Der „Arbeiterwille“, 7. 4. 1904, S. 3.
StLA, Georg R. v. Kremmer: Geschichte von Spital am Semmering, o. Hs. 1.556/1, S. 113 und 116.
StLA, AM, RP 1617, 1617 IV 12, fol. 19 r und 1617 IV 29, fol. 32 r.
P.A.S, Pfarrwirtschaftsbuch 1777.
Oddo Koptick: Erfreulicher Ursprung..., Wiener Neustadt 1735, S. 87 f.
Pfarrblätter
Fotos: Reinhard Weidl